Das demokratische China – Republik China feiert auf Taiwan ihr 100-jähriges Bestehen

Die Frage des Verhältnisses zwischen dieser und der Republik China auf Taiwan bleibt komplex. Dabei sind die Zeichen für den Dialog über die Taiwan-Straße hinweg in der jüngsten Vergangenheit ermutigend. Seit einiger Zeit verhandeln beide Seiten über engere Beziehungen, wobei Fragen staatlicher Souveränität ausgeklammert bleiben. In erster Linie geht es um Handel und bessere gegenseitige Verkehrsverbindungen.

Welchen Weg Taiwan also auch immer einschlägt, es wird dabei weiter Unterstützung brauchen. Es muss über seine Zukunft frei entscheiden können. Deswegen muss auch in Deutschland das Bewusstsein für seine Situation bestehen bleiben – gerade, wenn sich die Beziehungen mit der Volksrepublik entspannen. Bei allen positiven Auswirkungen darf das nicht dazu führen, dass Taiwan aus den Köpfen der Menschen hierzulande verschwindet.

Kürzlich fand eine ungewöhnliche Veranstaltung im Berliner Volkspark Friedrichshain statt. Die dort beheimatete Weltfriedensglocke, die für gewöhnlich am 6. August jedes Jahres im Zentrum des Gedenkens an den Atombombenabwurf auf Hiroshima steht, erklang diesmal auch am 23. August zeitgleich mit der an diesem Tag eingeweihten Friedensglocke der Republik China auf der Insel Kinmen.
Seit 1989 hängt die Berliner Glocke als Geschenk der japanischen World Peace Bell Association im Volkspark. Ein Geschenk, das noch an die ehemalige DDR gerichtet war. Die Geschichte wollte es, dass sie bald nach ihrer Einweihung am 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen die Wende, den Untergang des SED-Regimes und die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands erlebte.
Damit wurde eine der Folgen des Zweiten Weltkriegs überwunden. Es war die Mahnung vor den Folgen dieses Krieges, das Gedenken an die Opfer und die Beschwörung des Friedens, aus der heraus der spätere Gründer der World Peace Bell Association 1951 die erste Weltfriedensglocke schuf. Zu dieser Zeit war aber nicht nur Deutschland geteilt.
Nach dem Bürgerkrieg in China hatte die kommunistische Bewegung dort 1949 die Regierung der Republik China nach Taiwan vertrieben. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten kam es weiterhin zu militärischen Zusammenstößen zwischen beiden Seiten. Besonders um die von Taiwan kontrollierte Insel Kinmen, die lediglich zwei Kilometer vom kommunistisch beherrschten Festland entfernt liegt.
Allein ab dem 23. August 1958 feuerte die chinesische Volksbefreiungsarmee innerhalb von 44 Tagen fast eine halbe Million Artilleriegeschosse auf Kinmen und seine Nachbarinseln ab. Der ständige Kriegszustand an der Taiwan-Straße war letztlich auch der Grund dafür, dass die Republik China unter dem Präsidenten und altem Bürgerkriegsgeneral Chiang Kai-shek lange Zeit autoritär regiert wurde.
Das war sicherlich nicht im Sinne des Vaters der chinesischen Demokratie, Sun Yat-sen. Seine Thesen waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbst für damalige Verhältnisse in den westlichen Staaten fortschrittlich. Sie würden in einer Debatte über das Wesen und die Prinzipien der Demokratie auch heute noch Beachtung finden. Auf ihrer Grundlage wurde nach dem Sturz der letzten Kaiserdynastie am 10. Oktober 1911 die Republik China gegründet.
Zur Verwirklichung der Ideen Sun Yat-sens war es aber ein langer Prozess mit vielen Rückschlägen: Innere Auseinandersetzung mit den Warlords des zerrissenen Chinas, neuer Zerfall durch ausländische Einflussnahme, unsicherer Pakt der Kuomintang Chiang Kai-sheks gegen die japanischen Invasoren mit den Kommunisten – die sich in diesem Kampf zurückhielten, um nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Bürgerkrieg wieder aufzunehmen.
Schließlich Flucht der Kuomintang nach Taiwan und dort jahrzehntelange Ein-Parteien-Herrschaft. Erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung bildete sich eine Mittelschicht heraus, die zunehmend Bürgerrechte und demokratische Beteiligung einforderte. Nach dem Abflauen der militärischen Auseinandersetzungen mit der Volksrepublik China begannen in den 80er Jahren Reformen, die 1992 in der ersten freien Parlamentswahl mündeten.

Seither hat sich auf Taiwan eine gefestigte und wirtschaftlich starke asiatische Demokratie entwickelt, die in beispielhafter Weise Tradition und Moderne verbindet. Das widerlegt die Behauptung, dass westliches Rechteverständnis und asiatische Werte nicht vereinbar seien – auch wenn das von der offiziellen Politik nicht immer angemessen gewürdigt wird. Die Ein-China-Politik, auch in Deutschland, erkennt nur die Volksrepublik China an.
Die Frage des Verhältnisses zwischen dieser und der Republik China auf Taiwan bleibt komplex. Dabei sind die Zeichen für den Dialog über die Taiwan-Straße hinweg in der jüngsten Vergangenheit ermutigend. Seit einiger Zeit verhandeln beide Seiten über engere Beziehungen, wobei Fragen staatlicher Souveränität ausgeklammert bleiben. In erster Linie geht es um Handel und bessere gegenseitige Verkehrsverbindungen.
Dabei ist schon viel erreicht worden, und das ist zu begrüßen. Denn Austausch führt zu Annäherung, und „Wandel durch Annäherung“ war schließlich auch ein Schlagwort, das die Überwindung der deutschen und europäischen Teilung begleitet hat. Man darf aber nicht vergessen, dass die Volksrepublik ihre Ansprüche auf Taiwan nicht aufgegeben hat und parallel zu den Gesprächen weiterhin die Modernisierung ihrer militärischen Fähigkeiten betreibt, die auch und gerade auf Taiwan gerichtet sind.
Eine große Hoffnung ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung auf dem chinesischen Festland ähnliche Folgen haben wird wie auf Taiwan und das taiwanische Vorbild dabei als Katalysator dienen kann. Allerdings sind die Gewichtsverhältnisse an der Taiwan-Straße umgekehrt zu denen im geteilten Deutschland. Was nicht geschehen darf ist, dass das autoritäre System der viel größeren Volksrepublik die Freiheit auf Taiwan erstickt.
Welchen Weg Taiwan also auch immer einschlägt, es wird dabei weiter Unterstützung brauchen. Es muss über seine Zukunft frei entscheiden können. Deswegen muss auch in Deutschland das Bewusstsein für seine Situation bestehen bleiben – gerade, wenn sich die Beziehungen mit der Volksrepublik entspannen. Bei allen positiven Auswirkungen darf das nicht dazu führen, dass Taiwan aus den Köpfen der Menschen hierzulande verschwindet.
Erst als Peking in den 70er Jahren der Sitz der Republik China bei den Vereinten Nationen übertragen wurde, endeten übrigens die Bombardements der Insel Kinmen auf Druck der UN. Aus Granathüllen von damals wurde die Friedensglocke der Republik China gegossen. Die Republik China, die heute auf Taiwan existiert, feiert am 10. Oktober dieses Jahres ihr 100-jähriges Bestehen.