Rede der Vorsitzenden der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft e. V. – Freunde Taiwans, Anita Schäfer MdB, anlässlich der Weltfreiheitstagsfeiern und WLFD-APLFD Generalversammlung am 24. Januar 2014 in Taipeh

Ich freue mich, in den letzten Tagen mit der WFLD erneut Taiwan, diesen Leuchtturm der Demokratie in Ostasien, besucht haben zu können. Die über hundertjährige Entwicklung der Republik China, die heute hier existiert, war ein langer, schwieriger Prozess mit vielen Rückschlägen: weg von der Kaisermonarchie, durch Bürgerkrieg und Diktatur; hin zu einer gefestigten und wirtschaftlich starken Demokratie, die in beispielhafter Weise Tradition und Moderne verbindet.
Damit ist Taiwan in vielerlei Hinsicht vorbildhaft für die ostasiatische Region – auch wenn das von der offiziellen Politik nicht immer angemessen gewürdigt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft – Freunde Taiwans hätte ich heute gerne persönlich das Wort an Sie gerichtet. Leider werde ich durch früher eingegangene Verpflichtungen daran gehindert. Keinesfalls möchte ich aber die Gelegenheit versäumen, zumindest meine herzlichen Grüße und diese geschriebenen Zeilen übermitteln zu lassen.

Ich freue mich, in den letzten Tagen mit der WFLD erneut Taiwan, diesen Leuchtturm der Demokratie in Ostasien, besucht haben zu können. Die über hundertjährige Entwicklung der Republik China, die heute hier existiert, war ein langer, schwieriger Prozess mit vielen Rückschlägen: weg von der Kaisermonarchie, durch Bürgerkrieg und Diktatur; hin zu einer gefestigten und wirtschaftlich starken Demokratie, die in beispielhafter Weise Tradition und Moderne verbindet.

Damit ist Taiwan in vielerlei Hinsicht vorbildhaft für die ostasiatische Region – auch wenn das von der offiziellen Politik nicht immer angemessen gewürdigt wird. Die Ein-China-Politik, auch in Deutschland, erkennt nur die Volksrepublik China an. Die Frage des Verhältnisses zwischen dieser und der Republik China auf Taiwan bleibt komplex.

Dabei sind die Zeichen für den Dialog über die Taiwan-Straße hinweg in der jüngsten Vergangenheit ermutigend. Gleichzeitig werden die gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen immer enger. Das ist zu begrüßen. Denn Austausch führt zu Annäherung, und „Wandel durch Annäherung“ war ja auch ein Schlagwort, das die Überwindung der deutschen und europäischen Teilung begleitet hat.

Wir hoffen natürlich, dass dieser Weg fortgesetzt werden kann; wobei wir nicht vergessen dürfen, dass die Volksrepublik ihre Ansprüche auf Taiwan nicht aufgegeben hat und parallel zu den Gesprächen die Modernisierung ihrer militärischen Fähigkeiten betreibt, die auch und gerade auf Taiwan gerichtet sind. Was nicht geschehen darf ist, dass das System der viel größeren Volksrepublik die Freiheit auf Taiwan erstickt.

Deswegen dürfen wir in unserer Arbeit nicht nachlassen, auch in Deutschland das Bewusstsein für seine Situation aufrechtzuerhalten – gerade, wenn sich die Beziehungen mit der Volksrepublik entspannen. Bei allen positiven Auswirkungen darf das nicht dazu führen, dass Taiwan aus den Köpfen der Menschen verschwindet. Hier spielen Nichtregierungsorganisationen wie die unsere eine entscheidende Rolle.

Seit 57 Jahren setzt sich die von Parlamentariern sowie Personen aus den verschiedensten Gesellschaftsgruppen, der kulturellen Szene und dem Wirtschaftsleben gegründete Deutsch-Chinesische Gesellschaft kontinuierlich für gute Beziehungen zwischen Deutschland und Taiwan ein. In regelmäßigen Veranstaltungen und Schriften informieren die Freunde Taiwans, wie die Gesellschaft sich seit 2003 durch einen Zusatz nennt, über Entwicklungen auf Taiwan.

Meine Amtszeit als Vorsitzende seit 2008 stand im Zeichen der Annäherung zwischen Taiwan und der Volksrepublik China nach der Wahl Präsident Ma Ying-jeous kurz zuvor. Bereits damals habe ich darauf hingewiesen, dass eine entspanntere Situation – obwohl positiv für Taiwan – den Stellenwert dieses Themas in der deutschen Politik verringern könnte. Die Öffentlichkeit neigt ohnehin dazu, die Problematik der gegenseitigen Beziehungen nur bei Krisen wie der expliziten Drohung Pekings mit militärischer Gewalt wahrzunehmen.

Mein Ziel war daher, sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Besonderheit der Situation wachzuhalten. Dazu gehört vor allem der Hinweis auf die Vorbildfunktion der heute auf Taiwan existierenden Republik China für das Festland, die vor zwei Jahren erneut von dem friedlichen und demokratischen Wahlen unterstrichen wurde.

Aktuell bereitet unsere Gesellschaft hierzu eine Publikation unter dem Titel „Taiwan in Bewegung – 100 Jahre Republik China“ vor. Darin beschäftigen sich deutsche und taiwanische Autoren mit Geschichte und Gegenwart der auf Taiwan verwirklichten Idee einer chinesischen Demokratie. Es freut mich, dass wir dafür zwölf Verfasser aus der Wissenschaft, aber auch Wirtschaft und Journalismus gewinnen konnten, die sich diesem Thema unter verschiedenen Aspekten und auch aus unterschiedlichen politischen Sichtweisen genähert haben. Zudem ließen uns Präsident Ma und Oppositionsführer Su Tseng-chang selbst Beiträge zukommen.

Ich selbst konnte mir bei einem Besuch auf Taiwan anlässlich der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Republik China ein Bild von der Stimmung machen, die zu dieser Zeit im Wahlkampf herrschte. Unabhängig von Gewinnern und Verlierern hat sich Taiwan mit diesen Wahlen einmal mehr als gefestigte asiatische Demokratie erwiesen. Als freie, stabile und erfolgreiche Wirtschaftsmacht widerlegt es auch das von autoritären Regimen in Ostasien gern gebrauchte Argument, dass westliche nicht mit asiatischen Werten kompatibel seien.

Angesichts der Größenverhältnisse erscheint die Hoffnung, dass dies Vorbild für die Volksrepublik sein könnte, zwar häufig wie ein frommer Wunsch. Viel wahrscheinlicher sieht es für viele so aus, dass das autoritäre System des großen China die Demokratie auf Taiwan zu erdrücken droht. Tatsächlich ist die Volksrepublik heute in jeder Hinsicht das größte undemokratische Land der Welt.

Am Beispiel Taiwans sehen wir aber, dass wirtschaftlicher Erfolg irgendwann immer Forderungen nach größerer Freiheit und politischer Beteiligung nach sich zieht. Hier wurde der Übergang von der Einparteienherrschaft zum pluralistischen Rechtsstaat bereits vor über 20 Jahren eingeleitet. Auch auf dem Festland sehen wir inzwischen zunehmend Beispiele, dass sich mit der rapiden, aber ungleich verteilten Zunahme des Wohlstands ein neues politisches Bewusstsein entwickelt.

Dazu gehören die zahlreichen örtlichen Massenproteste gegen Umweltverschmutzung, die Bereicherung von Funktionären, den Abriss ganzer Stadtviertel und Neubauprojekte auf dem Rücken der Bevölkerung. Immer häufiger sind diese Proteste auch erfolgreich. Wir sehen zudem, wie Menschen gegen die allgegenwärtige Zensur aufbegehren und mehr Rechte fordern. Und wir sehen erste Reaktionen der Regierung auf diesen öffentlichen Druck, wie etwa die kürzlich offizielle Abschaffung der Umerziehungslager.

Wie ernsthaft und nachhaltig diese Veränderungen sind, muss sich aber erst noch erweisen. Man könnte zwar sagen, dass die chinesische Führung im Umgang mit Taiwan schon jetzt einiges über das Funktionieren von Demokratie gelernt hat. Etwa, dass laute Drohungen gegen die Wahl einer nicht genehmen Regierung wie 2004 bei Wählern in einer Demokratie genau den gegenteiligen Effekt haben. Manche sagen natürlich, China habe daraus vor allem gelernt, dass es subtiler manipulieren muss.

Wachsamkeit bleibt also geboten. Ich glaube, dass der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, Freiheit und Demokratie unauflöslich ist, und der weltweite Trend dorthin positiv ist. Aber noch gibt es eine Zweidrittelmehrheit autoritärer Regime auf unserer Erde, und die Entwicklung in einzelnen Ländern ist nicht unumkehrbar. Freiheit und Demokratie müssen nicht nur erkämpft, sondern auch stets aufs Neue verteidigt werden. Für dieses Ziel werden sich die Freunde Taiwans in Deutschland und sollten wir alle uns auch künftig engagieren.