Sieben auf einen Streich – Taiwans Kommunalwahlen vom 21. November 2014

Im Allgemeinen findet die Besetzung lokaler Mandate durch die berechtigten Bürger eine weit geringere Beachtung, als dies bei den Wahlen auf nationaler Ebene der Fall ist. Dies gilt erst recht für entfernte Länder. Doch bei den Kommunalwahlen der Republik China, die zum Jahresende abgehalten werden, lohnt sich der Blick über eine Distanz von 9.300 Kilometern hinweg.

Von Dr. Thomas Weyrauch, Jurist und Autor.

七合ㄧ選舉

Dr. Thomas Weyrauch: Sieben auf einen Streich
Taiwans Kommunalwahlen vom 21. November 2014

Im Allgemeinen findet die Besetzung lokaler Mandate durch die berechtigten Bürger eine weit geringere Beachtung, als dies bei den Wahlen auf nationaler Ebene der Fall ist. Dies gilt erst recht für entfernte Länder. Doch bei den Kommunalwahlen der Republik China, die zum Jahresende abgehalten werden, lohnt sich der Blick über eine Distanz von 9.300 Kilometern hinweg.

Die kommunale Selbstverwaltung auf Taiwan ermöglicht nun seit über 60 Jahren kompetitive Wahlen und ist durch die Artikel 118 ff. der Verfassung der Republik China garantiert. Dabei weist sie keine gravierenden Unterschiede zu Deutschland auf. Während einige deutsche Städte (Berlin, Hamburg, Bremen) gleich den Flächenstaaten als Bundesländer existieren, gehören weitere große Städte zu Flächenbundesländern in Gestalt kreisfreier Kommunen, wie etwa Bonn oder Magdeburg. Die überwiegende Zahl weiterer Städte und Gemeinden sind dagegen Teile der Landkreise. Gemeinden und Kreise werden politisch von Bürgermeistern und Landräten regiert, denen Kommunalparlamente zur Seite stehen. Größere Städte haben darüber hinaus Stadtteile mit eigenen Vertretungen.

In der heutigen Republik China finden sich Parallelen zu den Bundesländern Berlin, Hamburg oder Bremen in den regierungsunmittelbaren und provinzunabhängigen Städten Taibei (auch Taipeh, Taipei), Xinbei (Neu-Taibei), Gaoxiong (Kaohsiung) Taoyuan, Taizhong (Taichung) und Tainan. Alle anderen Regionen Taiwans und den benachbarten Inselchen gehören dagegen zur Provinz Taiwan, deren Kommunen Teil von Landkreisen sind. Eine Ausnahme bilden die vor dem chinesischen Festland liegenden Archipele Jinmen (Kinmen, Quemoy) und Mazu (Matsu), die als Landkreise den letzten Rest der Provinz Fujian (Fukien) unter der Herrschaft der Republik China verkörpern. Eine Besonderheit bilden die Vertretungen von Ureinwohnern in den Parlamenten.

Aktiv wahlberechtigt sind sämtliche Bürger ab 20 Jahre nach § 14 des ‚Gesetzes zur Wahl und Abwahl von Amtsträgern‘ aus dem Jahr 1949. Das passive Wahlrecht ergibt sich aus § 31 dieses Gesetzes und ist nach Funktionen gestaffelt und beginnt für die Mitgliedschaft in Kommunalparlamenten bei 23 Jahren. Bürgermeister kleiner Gemeinden sollen dagegen 26, Landräte und Bürgermeister großer Städte 30 und regierungsunmittelbarer Städte 35 Jahre alt sein. Artikel 32 spezifiziert zudem die Minimalanforderungen an die Kandidaten, darunter die schulische oder fachhochschulische Minimalbildung.

Im Unterschied zur Praxis der kommunalen Selbstverwaltung Deutschlands, in denen die Städte und Kreise eigene Wahlbehörden unterhalten, regelt die in Taibei ansässige Zentrale Wahlkommission sämtliche Wahlangelegenheiten nicht nur für die Neubesetzung der Ämter des Präsidenten und seines Vize sowie des nationalen Parlaments, sondern auch der Provinzregierung und des Provinzparlament, der Landräte, Kreisparlamente, Bürgermeister, Stadtparlamente und Dorfvorsteher. Diese Aufgaben umfassen Wahlankündigungen, die Entgegennahme der Kandidatennominierung und ihre Registrierung, die Bestimmung der Reihenfolge der Kandidaten, die Erstellung von Wählerlisten, die Durchführung der Wahl, die Verkündung des Wahlergebnisses und die Aushändigung von Bescheinigten für die Gewählten.

Die Zentrale Wahlkommission hatte schon im Januar 2014 die Kommunalwahlen von sieben zu besetzenden Kategorien, als „Sieben in Einer-Wahl“ (七合ㄧ選舉) für insgesamt 11.036 Gemeinden, für ein einziges Datum, den 29. November 2014, terminiert. Die sieben Kategorien umfassten 1) Bürgermeister von Städten mit Sonderstatus, d.h. Taibei, Xinbei (Neu-Taibei), Taoyuan, Tainan, Taizhong und Gaoxiong sowie 2) deren Parlamente, 3) Landräte und Bürgermeister der Landkreise und Städte mit Status unterhalb der Provinz, 4) deren Kreis- und Stadtparlamente, 5) Gemeindebürgermeister, 6) deren Gemeindeparlamente und 7) Dorfvorstände.

Mit der Entscheidung der Zentralen Wahlkommission vom 20. August 2014 wurden zu jenen sieben Kategorien zwei weitere hinzugefügt, welche die Stadtteilvertretungen in regierungsunmittelbaren Städten und die dortigen Vertretungen von Ureinwohnern betrafen. Damit hatte man nunmehr eine „Neun in Einer-Wahl“!

Weiterhin verkündete die Wahlkommission, bei dieser Wahl handele es sich um die größte in der Geschichte Taiwans. 11.130 Mandate würden hierbei vergeben. Um die Wahlen sauber zu halten, ordnete die Kommission schließlich Maßnahmen gegen Wahlfälschung mit entsprechenden Strafen an, wie etwa das Markieren von Wahlzetteln oder das Mitführen von Mobiltelefonen.

Als erstes politisches Schwergewicht erklärte Zhu Lilun, Bürgermeister von Xinbei, am 24. Juli 2014, er werde erneut für dieses Amt kandidieren. In diesem Zusammenhang war Zhus kommunalpolitische Kandidatur eher von sekundärer Bedeutung, da gemunkelt wurde, er werde sich später seiner Partei, der Guomindang (Nationalpartei, GMD), für die Präsidentschaftswahl zur Verfügung stellen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass es um mehr als um lokale Angelegenheiten geht.

Keine Frage: die Kommunalwahlen werden als Richtungswahlen für die Politik auf nationaler Ebene betrachtet. Zwischen ihnen und den Wahlen für den neuen Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Lifa Yuan, das Parlament, liegen nämlich nur noch 14 Monate.

Dabei werden nur wenige der über 250 registrierten Parteien antreten, in erster Linie die GMD und die Minzhu Jinbudang (Demokratische Fortschrittspartei, MJD), gefolgt von der Qinmindang (Volksnahe Partei), der Xindang (Neue Partei), der Wudang Tuanjie Lianmeng (Parteilose Solidaritätsunion) und der Taiwan Tuanjie Lianmeng (Taiwanische Solidaritätsunion). Zusätzlich kandidieren Unabhängige, wie etwa Ke Wenzhi, Chirurg am angesehenen Krankenhaus der Nationalen Taiwan Universität Mediziner, der mit Unterstützung der MJD als Bürgermeisterkandidat in Taibei antritt und den Juristen Dr. Lian Shengwen, Sohn des ehemaligen Vizepräsidenten Lian Zhan (beide Guomindang), herausfordert. Beide sind Newcomer für dieses Mandat.

Im Gegensatz dazu kämpfen folgende exponierte Amtsinhaber um ihre Wiederwahl: Dazu gehören der Bürgermeister von Xinbei, Dr. Zhu Lilun, Wirtschaftsprofessor (GMD), der Bürgermeister von Taizhong, Dr. Hu Zhiqiang, Diplomat und Politikwissenschaftler (GMD), der Bürgermeister von Tainan, Lai Qingde, Arzt (MJD), und die Bürgermeisterin von Gaoxiong, Chen Ju, Verwaltungswissenschaftlerin (MJD).

Nach aktuellen Umfragen liegt die MJD zwar vor der GMD, doch ist der Wahlkampf noch nicht beendet, und die Wähler wurden noch nicht optimal mobilisiert. Wer das jeweilige Mandat im November gewinnen wird, ist folglich völlig offen und dürfte regional unterschiedlich ausfallen.

Dass mit der Wahl der Funktionsträger jener elftausend Gemeinden auch ein Trend in der staatlichen Politik sichtbar wird, ist nicht nur für die Bürger der Republik China auf Taiwan, Penghu, Mazu und Jinmen interessant. Auch für auswärtige Beobachter der politischen Landschaft Ostasiens werden die Richtungswahlen bedeutsam sein, betreffen sie doch das gegenseitige Verhältnis beider chinesischer Regierungen und damit das Wohl und Wehe der weltweit größten Wachstumsregion.